In der letzten Märzwoche lud die Mennonitische Weltkonferenz nach Abbotsford in Kanada ein. Dort fanden eine Feier im Rahmen der Renewal 2028 Dekade und ein Treffen des Exekutivkomitees der Weltkonferenz statt. Aus der Schweiz war Jürg Bräker mit dabei. Der Generalsekretär der Konferenz der Mennoniten der Schweiz berichtet im Interview, was in Abbotsfords alles auf der Agenda stand und wieso es die Weltkonferenz braucht.
Ende März warst du für ein paar Tage in Kanada in deiner Rolle als Mitglied des Exekutivkomitees der Mennonitischen Weltkonferenz (MWK). Wo warst du genau und was war der Anlass deiner Reise?
Ich war in der Nähe von Abbotsford im Camp Squeah. Das ist etwa zwei Stunden östlich von Vancouver, wo das Fraser Valley langsam gebirgig wird. Dort fanden verschiedene Treffen der MWK statt. Die Treffen begannen am Samstag mit einer Feier im Rahmen der Renewal 2028 Dekade zu 500 Jahre Täufertum. Danach folgten drei Tage Sitzungen des Exekutivkomitees. An den Beratungen nahmen auch die Mitarbeitenden der MWK teil. Zeitgleich traf sich die Gruppe, welche die Gespräche zwischen der Weltgemeinschaft der Reformierten Kirchen und der MWK führt, zu ihren ersten Gesprächen. Insgesamt reisten rund 45 Personen aus aller Welt an. Viele von ihnen predigten dann am Sonntag in einer der umliegenden Mennoniten-Gemeinden. Das war wie ein lokaler Weltgmeinschaftssonntag der Weltkonferenz.
Wo hast du gepredigt?
Ich war in der Sardis Community Church in Chilliwack zu Gast. Ich lernte eine Gemeinde kennen, die starke Angebote im Bereich von Sozialhilfe hat und sich in der Heilung der Beziehungen mit den First Nations engagiert.
Kannst du etwas mehr sagen zur Renewal 2028 Dekade? Wie ist die genau konzipiert?
Renewal ist eine Serie von Feiern, die mit verschiedenen Themen die Vielfalt der heutigen weltweiten Gemeinschaft der Täuferbewegung sichtbar macht. Jedes Jahr finden Feiern in einem anderen Kontinent statt, zu Themen, welche die lokale Kirche zusammen mit der Kommission Glaube und Leben der MWK erarbeitet. Die erste dieser Feiern fand 2017 in Augsburg statt. Dann folgen weitere Anlässe in Kenia und in Costa Rica. Auch die Weltversammlung der Weltkonferenz in Indonesien gehörte zum Programm der Dekade. Die Feier in Abbotsford stand unter dem Thema des Sonntags der Mennonitischen Weltgemeinschaft «Jesus Christus – unsere Hoffnung». Lokale und internationale Redner:innen sprachen darüber, was Hoffnung in ihrem Kontext bedeutet.
Ist dir etwas besonders in Erinnerung geblieben?
Besonders beeindruckt hat mich Tigist Tesfaye aus Äthiopien. Sie ist Sekretärin der Diakonie-Kommission der MWK. Weil sie kein Einreisevisum erhalten hatte, sprach sie per Video. Sie zeigte auf, wie schwierig das Leben in Äthiopien ist, mit den Bürgerkriegen und täglichen Herausforderungen; Hoffnung wird in solchen Umständen sehr konkret und stark. Es sind solche Momente, die für mich die Gemeinschaft der Weltkonferenz fassbar und sehr wertvoll machen.
Eindrücke von den Treffen in Abbotsford (Fotos: Karla Braun und Preshid Rao)
Nach den Feierlichkeiten traf sich das Exekutivkomitee der MWK. Wie oft trefft ihr euch und wie laufen die Treffen genau ab?
Das Exekutivkomitee trifft sich normalerweise einmal im Jahr für eine Woche, alle drei Jahre zusammen mit dem General Council, der Mitgliederversammlungder MWK. Das Exekutivkomitee und auch die Mitgliederversammlung entscheiden immer im Konsens. Dieses Verfahren bestimmt den Sitzungsablauf: In einem ersten Durchgang werden alle Themen vorgestellt und sichergestellt, dass alle verstanden haben, worüber entschieden wird. Erst danach werden die einzelnen Entscheidungen diskutiert und Meinungen ausgetauscht. Das hat den Vorteil, dass man die einzelnen Geschäfte im Gesamtzusammenhang sieht. Wenn man z.B. die Jugenddelegierten stärker involvieren möchte, hilft es, die Finanzlage zu kennen, wenn man über zusätzliche Kosten diskutiert. In einem dritten Schritt folgt dann die Entscheidungsfindung. Da wird noch einmal hingehört, wenn Einzelne Bedenken haben oder anderer Meinung sind als die Mehrheit. Je nachdem wie die Vorgespräche verlaufen sind, werden Entscheidungen dann in kurzer Zeit gefällt. Es kann aber auch sein, dass Vorlagen abgeändert werden oder auch zurückgestellt werden, wenn wir noch keinen Konsens finden können.
Welche Themen standen in Abbotsford auf der Agenda?
Einerseits kümmerten wir uns um formale Angelegenheiten. Wir haben beispielsweise die Rechnungen und das Budget der MWK abgenommen, wie auch die Jahresberichte des Personals und der Kommissionen der MWK. Das braucht jeweils nicht so viel Zeit. Andere Themen verlangten mehr Diskussion. Seit vielen Jahren steht die Frage im Raum, ob die MWK ihren Namen ändern soll. Im Exekutivkomitee haben wir nun eine Vorlage erarbeitet, die der Mitgliederversammlung der MWK 2025 zur Abstimmung vorgelegt werden soll. Dann haben die Young Anabaptist einen Vorschlag eingebracht, wie die Jugenddelegierten stärker in die Arbeit der MWK integriert werden können. Aber mehr Treffen bedeutet auch mehr Reisen. Wollen wir das? Andererseits bilden die Jugendlichen einen grossen Teil der Kirchen in der MWK, ihre Beiträge müssen in der MWK wahrgenommen werden. Viel Zeit haben wir auch mit der Erarbeitung einer Kurzformulierung der Vision der MWK verbracht. Diese Gespräche sind sehr wichtig, weil wir uns da darüber unterhalten, warum wir die Zusammenarbeit in der MWK brauchen und was wir damit erreichen möchten. Hier wurde noch kein fertiger Vorschlag gefunden, aber die Kernthemen liegen auf dem Tisch.
Was würdest du sagen, warum brauchen wir die Zusammenarbeit in der MWK? Was soll diese bringen?
Wir Täufer:innen haben eine lange Geschichte von Trennungen und Zerwürfnissen und sind deshalb eine vielfältige Bewegung. Das hat auch damit zu tun, dass wir das persönliche Bekenntnis sehr ernst nehmen – und das ist gut so. Wir möchten darum auch die Vielfalt, die durch das Wirken des Geistes Gottes in unterschiedlichen Zeiten, Kontexten und Kulturen entsteht, nicht reduzieren, sondern sie feiern und das wertschätzen, was Gott an Orten hervorbringt, die nicht die unseren sind, mit denen wir aber verbunden sind.
Jürg Bräker ist Generalsekretär der Konferenz der Mennoniten der Schweiz und ist als theologischer Mitarbeiter bei der Evangelischen Mennoniten-Gemeinde Bern angestellt.
Wie gelingt das?
Es braucht das Gespräch miteinander, um den Schatz der anderen zu erkennen und auch anzunehmen. Diese «anderen Orte» sind nicht nur ferne Länder, das sind auch andere Glaubensrichtungen. Was uns fremd ist, kann uns helfen, die eigenen blinden Flecken zu erkennen. Nicht alles muss von allen gleich gelebt werden, aber wir sollten uns immer vor Augen halten, dass die Fülle Christi über das hinausgeht, was jede einzelne lokale Gemeinschaft lebt. Die Trennungen und Zerwürfnisse haben aber auch Wunden und Narben hinterlassen. Die Begegnungen, Gemeinschaft und Diskussionen, durch welche die Zusammenarbeit in der MWK geschieht, sind der Ort, wo wir über diese Trennungen und Verwundungen hinauszugehen versuchen. In dieser Zusammenarbeit suchen wir nach Heilung unserer Beziehungen. Das geschieht ganz konkret, wenn wir darum ringen, einander zu verstehen und einander zuzusprechen, was wir an einer Gemeinschaft schätzen, die einer anderen Richtung des Täufertums angehört. Wo wir die Stimmen ernst nehmen, wenn uns eine andere Gemeinschaft mitteilt, wo sie uns in Gefahr sieht. Auch darin sind wir Friedenskirche, wir nehmen so Teil daran, dass Gott diese Welt mit sich versöhnt.
Wir brauchen also die anderen gerade in ihrer Andersartigkeit?
Ja, um Evangelium in dieser Welt erfahrbar zu machen, brauchen wir die Ergänzung durch die anderen. Wir brauchen aber vor allem auch selbst die Gabe der Vergebung, der Schritte der Versöhnung. Wir tragen den Frieden in die Welt, wenn wir ihn unter uns erfahren.
Interview:
Simon Rindlisbacher