Kurzfassung einer Predigt über Lukas 5, 27 – 32, gehalten am 9. Juli in der Evangelischen Mennonitengemeinde Schänzli
In drei der Evangelien wird die Geschichte von der Berufung Levis erzählt. Und es gibt etwas, dass mich bei dieser Geschichte schon länger beschäftigt und immer wieder überrascht: Was bewegte diesen wohlhabenden Menschen mit einem abgesicherten Job bei der Begegnung mit Jesus alles stehen und liegen zu lassen, aufzustehen und ihm nachzufolgen? Was war bei ihm so anders als beim reichen Jüngling der so etwas ein paar Kapitel später nicht hinbekam? Ist es das Geheimnis der «göttlichen Erwählung», dass es einfach einige Menschen gibt, die sich zu Jesus und zur Nachfolge hingezogen fühlen und andere halt nicht? Darüber haben sich Gelehrte schon viele Jahrhunderte gestritten.
Bei einer genaueren Betrachtung der Lebenswelt von Levi fällt auf, dass dieser Mann in seiner Rolle als Steuereintreiber zu den meistgehassten Menschen seiner Zeit gehörte. Durch ihre berufliche Tätigkeit gehörten die Steuereintreiber zu einem System das von Grund auf sowohl korrupt wie auch invasiv war: Die obersten Steuereintreiber erkauften sich die Möglichkeit, für das Römische Reich Steuern zu erheben in einem Bietverfahren. Daraufhin durften sie gerade so viel einkassieren, dass es nicht zu einer Revolte kam und trotzdem noch einiges für den eigenen Beutel hinausprang. Dadurch, dass sie sich mit dem Feind gegen das eigene Volk verbündeten, waren sie und ihre Familien zwar finanziell gut abgesichert – aber sie nahmen damit die Rolle der meistverachteten Menschen in der Gesellschaft ein.
In der Interaktion mit Jesus muss Levi ein völlig anderer Blick entgegenkommen sein. Nicht der altbekannte Blick der Verachtung – sondern ein Blick, der das Menschliche in ihm sah, der viel mehr erkannte als die Rolle, die er in der Gesellschaft hatte. Und mit diesem Blick kam die Einladung eine neue Rolle im Reich Gottes zu entdecken: «Und Levi stand auf und folgte ihm nach.» Wie Levi entdecken würde, hat Jesus nachzufolgen mit Gastfreundschaft zu tun, mit Feste feiern, mit der Teilhabe und Mitgestaltung an einer Neuen Welt, die Jesus «Das Reich Gottes» nannte. Aber es fing damit an, dass durch eine Liebevolle Begegnung die Option eröffnet wurde, aus einer festgefahrenen Rolle hinaus in eine neue Zukunft zu treten.
Predigt:
Riki Neufeld, Pastor bei der Evangelischen Mennonitengemeinde Schänzli